Lyrik Wettbewerb

Mein Wort. Mein Bischofsheim

Die Fotos und Videos sind alle live aufgenommen.

Die preisgekrönten Beträge wurden teils von den Juroren, teils von den Preisträgerinnen vorgetragen.

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Einleitung und Begrüßung

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Volker Hartmann begrüßt die Gäste

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Laudatio

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Mein Wort. Mein Bischofsheim

Laudatio zum Lyrik-Wettbewerb des KUNST-WÜRFEL Vereins

Von Professor Dr. Wolfgang Schneider

„Wie wohl ist dem, der dann und wann, sich etwas Schönes dichten kann“, bekundete 1883 der Zeichner und Schriftsteller Wilhelm Busch und war ja selbst ein Meister gereimter Lyrik. Als Lyrik bezeichnet man Gedichtetes in Versform. Das Wort stammt aus dem Griechischen und bezieht sich auf jene Poesie, die zum Spiel der Lyra vorgetragen wurde. Lyrische Texte unterscheiden sich formal von epischen, also erzählenden Texten, und von dramatischer Literatur, also von Dialogen, vor allem durch ihre Kürze.

Gedichte leben von Reimen, vom Rhythmus, von den rhetorischen Ausdrucksmittel. Sie werden verfasst, zu Papier gebracht und vorgetragen; als Liebeslyrik, Kindergedicht, Limerick, Poetry Slam, Hip-Hop oder Rap. In unseren Breitengraten ganz besonders auch zur fünften Jahreszeit als Büttenrede. Bei jeder Gelegenheit, zu Ehren von Jubilaren, aus Anlass von Familienfesten, als Beiträge zum Programm bei Vereinsfeiern.

Gedichte zelebrieren im besten Falle Sinn, und als erfreuliche Ausnahme auch mal Unsinn. Zwei meiner Lieblingsgedichte stammen vom Kabarettisten Joachim Ringelnatz und vom Kinderbuchautor James Krüss. Es ist mir eine Freude, die spürbare Spannung zu steigern und traktiere Sie alle gerne mit den beiden Texten:

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Das ästhetische Wiesel

Ein Wiesel

saß auf einem Kiesel

inmitten Bachgeriesel.

Wisst ihr

weshalb?

Das Mondkalb

verriet es mir

im Stillen:

Das raffinierte Tier

tat’s um des Reimes willen.

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Wenn der Biber Fieber kriegt

Wenn die Möpse Schnäpse trinken,

wenn vorm Spiegel Igel stehn,

wenn vor Föhren Bären winken,

wenn die Ochsen boxen gehn,

wenn im Schlafe Schafe blöken,

wenn im Tal ein Wal erscheint,

wenn in Wecken Schnecken stecken,

wenn die Meise leise weint,

wenn Giraffen Affen fangen,

wenn ein Mäuschen Läuschen wiegt,

wenn an Stangen Schlangen hangen,

wenn der Biber Fieber kriegt,

dann entsteht zwar ein Gedicht,

aber sinnvoll ist es nicht.

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Lyrik sollte aber durchaus auch mit Worten spielen, Experiment sein, verwirren, Lyrik kann auch politisch sein, einem die Meinung sagen, Lyrik muss vor allem originell gestaltet und künstlerisch ambitioniert sein. Lyrik darf auch unterhaltsam sein. Autobiografische Zugänge sind erwünscht, allgemeine Lebensweisheiten erlaubt. Beobachtungen können verschriftlicht, Gesprochenes in Form gebracht werden.

Im letzten Jahr suchte der KUNST-WÜRFEL Verein Bilder von Bischofsheim, dieses Mal waren lyrische Texte in jeglicher Form, am besten mit Bezug zum Ort, gefragt. Alle aus der Mainspitze waren eingeladen, Gedichte zu schreiben, diese einzusenden und damit der Öffentlichkeit zur Kenntnis zu bringen. Junge Menschen durften ebenso mitmachen wie Erwachsene, Hauptsache, wohl ist dem, der dann und wann, sich etwas Schönes dichten kann!

Zwei Dutzend Einsendungen hat es gegeben, aus Gustavsburg, Bauschheim, Rüsselsheim, Trebur und aus der Eifel, vor allem aus Bischofsheim. Die jüngste Autorin ist gerade mal 15 Jahre alt, heißt Lara Hartmann und ist die Enkelin des Vorsitzenden, die älteste Lyrikerin ist meine Nachbarin, Else Jost, im 94. Lebensjahr noch immer reimend aktiv. Es gab Lieder, die uns erreichten, es gab kurze Verse und lange Texte, es gab Rührendes und Erschreckendes, Lustiges und Ernstes, Heimatümeliges und Idyllisches, Kritisches und Pointiertes, Persönliches und Allgemeines, Anekdotisches und Symbolisches. Jedes Gedicht war irgendwie anders als die anderen, jedes war eigen, in Sprache und Stil, in Ausdruck und Intention, also kaum miteinander zu vergleichen.

Eine Jury begutachtete, diskutierte und hat entschieden. Sicherlich subjektiv, mehr im Gespräch als durch Abstimmung. Kompromisse sollten es nicht sein, eher die Ecken und Kanten. Wir wussten nicht die Absender der Einsendungen, wir haben die Anonymität bis nach der finalen Auswahl gewahrt. Wir hatten zudem großen Respekt vor den Leistungen und danken für den Mut, sich zu bewerben.

Sie alle sind heute Gewinner, Sie haben zum kulturellen Leben in unserer Gemeinde beigetragen, Ihr Wort, für unser Bischofsheim!

Und jetzt darf ich das Ergebnis präsentieren: Der dritte Preis, eine Urkunde, 50 Euro und Ihr Applaus, geht an Nora Weinand. Herzliche Gratulation! Als gelernte Konzertsängerin hat sie getan, was sie kann: Text und Musik miteinander verbunden, geschrieben und komponiert. Ihr Lied heißt „Mein Bischofsheim“. Und doch beginnt sie kontraproduktiv mit dem Satz: „Ich lebe nicht in Bischofsheim, weil hier so ein Wasserturm steht“. Programmatisch nimmt sie mit Humor auseinander, was die Eingeborenen immer wieder mal für sich reklamieren: barfuß uff de Gass zu laafe, gerne Kartoffelbrei, den Stampes, zu essen oder über den Abwasserkanal, die Dohl, in Erinnerung schwelgen – also all das, was im sogenannten Kerwelied besungen wird. Sie kommt von außerhalb, sie besteht auf ihrer eigenen Biografie und will aber trotzdem dazu gehören: „Mein Bischofsheim, das sind die Menschen die hier leben“, textet sie widerständig. Und macht uns Spaß, vor allem aufmerksam und nachdenklich. Einheit in Vielfalt, das Motto der Europäischen Union, das gilt auch hier, lokal und regional. Und das ist preiswürdig!

Der zweite Preis, dotiert mit 100 Euro, geht an das Gedicht „Mein schönster Platz am Nachmittag“ und stammt von Anne Treber, geboren 1904 gestorben 1983. Sie hat es 1940, also mitten im Krieg handschriftlich verfasst, eingereicht hat es ihre Tochter Annegret Metzger. Posthum: Herzliche Gratulation! Der schönste Platz ist der Kleingarten, Sorgen und Stress bleiben außen vor, Sommer und Herbst sind gute Zeiten, dann wird „mein Gemüt schon heller, dann schau ich mit Zufriedenheit in meinen vollen Keller“. Das liest sich sehr bewegend, auch wenn man die Geschichte der Geschichte zunächst ausblendet. Hier erzählt jemand vom Glück des Lebens, von kleinen Freuden des Alltags, aber auch vom Trost anlässlich der Trauer um den verstorbenen Ehemann, vom Kreislauf der Natur, von Anstrengung und Ansporn, von Mühe und Ruhe. Rezensenten könnten es altmodisch nennen, wir fanden es authentisch, man glaubt das, was sie schreibt, es ist nachvollziehbar und doch durch die Formulierungen und den Reim ein kleines Kunstwerk. Und das ist auch nach acht Jahrzehnten noch preiswürdig!

Beim ersten Preis konnten wir nicht anders, und wir entschieden uns für zwei erste Preise – und haben damit den Verein genötigt, noch einen weiteren Geldschein aus den Rücklagen zur Verfügung zu stellen. So unterschiedlich die beiden Texte auch sind, sie haben uns beide überzeugt, in ihrer je eigenen Art von Inhalt und Ästhetik. Der erste Preis, je 200 Euro, geht ex aequo an Hanne Strack und Angelika Dormeyer.

Es ist der Sprachfluss, der beim Gedicht „angekommen“ beeindruckt, das mit nur 18 Zeilen auskommt, in mancher nur mit einem Wort. Es ist die Präzision der Methode, es ist die Reduktion auf das Wesentliche, es ist das Bild, das durch Geschriebenes im Kopf entstehen kann. Obwohl es keine Geschichte erzählt, wird etwas deutlich, was Anlass gewesen sein muss, es zu Papier zu bringen. Das Lyrische „wo sich zwei Flüsse treffen“ ist eben nicht nur das Geografische, als Rhein und Main, es ist das Zusammenfinden von zwei Menschen, dort wo „die Wasser sich vermischen“ – und da ist „zuhause“: „an der mainspitze“. Große Klasse, besonders preiswürdig!

Ganz anders beim Gedicht „1945“ von Angelika Dormeyer, und an dieser Stelle muss man schon darauf hinweisen, dass sie eine geborene Langer ist, zumal im Text ein Heinz die Hauptrolle spielt. Heinz Langer war nicht nur umtriebiger und geschätzter Lehrer in Bischofsheim, sondern auch Maler, und ihr Vater. Und das Künstlerische hat sich offensichtlich genauso vererbt, wie das Pädagogische. Angelika war Lehrerin und zuletzt auch hier im Kunstwürfel als Schauspielerin zu Gast. Außerdem saßen wir in jüngsten Jahren nebeneinander im Kindergarten Parkweg. „1945“ erzählt tatsächlich aus den letzten Kriegstagen, erzählt von Soldaten und Wachmännern, Mord und Seuchen, vor allem von der Flucht. Und „ein kohlgeschwärzter junger Kerl schleicht hungrig durch die Gassen“, findet Brot und Marmelade, ein frisches Hemd und warme Herzen. „Hier will er bleiben bis zu seinem Tod. Nicht als Held im Feld. Er schaut das Morgenrot, in dieser kleinen Welt.“ Wir fanden die Geschichte sehr bewegend, wir fanden die Sprache wohl formuliert, wir fanden den existentiellen Hintergrund bestens beschrieben. Manches kommt direkt daher, manches indirekt. Und diese Zeilen sind die ausdrucksstärksten. Ein Gedicht ist eben auch eine Erkenntnis, eben was ganz Eigenes und anderes, als eine SMS, als eine Twitter-Nachricht, als eine Mail, ein Gedicht ist ein komplexes Phänomen und das gilt es zu pflegen. Und in diesem Falle zu bepreisen!

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Post Scriptum.

Die Jury will am Ende ihrer Arbeit auch noch ein Plädoyer halten, für drei weitere Beiträge, die es Wert wären ebenso eine Veröffentlichung zu finden:

Mit dem Titel „Altrhein“ hat Hanne Strack ein weiteres Mal überrascht. Sie schreibt von einer Fährfahrt auf die Nonnenaue und verdichtet ihre Worte auf besondere Weise:

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So wie immer und ganz anders

Graublau in Moll

Der Trommelwirbel des Spechts

Begleitet die Spiegelungen der verschwimmenden Bäume

Im Fluss

Ein rotes Boot wechselt in Dur

Enten auf Abwegen

Altrhein

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Gerhard P. Steil aus Rüsselsheim nimmt sich eines Ereignisses an, das tatsächlich die Presse und die Bevölkerung vor ein paar Jahren ein paar Tage lang beschäftigt hat. „Der Bischofsheimer Karpfen“ – so der Titel – erzählt wohlgereimt vom überraschenden Fund auf offenem Feld:

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„Und selbst wenn ein Angler den Karpfen geschnappt,

als dieser ihm blind in die Falle getappt,

dann wäre noch immer die Frage suspekt,

warum er den Fisch im Getreide versteckt.

Ich hab’s nicht verstanden, doch eines war klar,

dass niemals ein Reiher der Fischräuber war.

Drum hab‘ ich den Fisch aus dem Wege geräumt –

Und nie wieder ähnlichen Blödsinn geträumt.“

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Auf ein Kleinod, das sich auch in den Wettbewerb begeben hat,

sei zum Abschluss noch hingewiesen. Es stammt von meinem Schulfreund Johannes Thiel:

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„Bischofsheim ist gar nicht groß, und oft ist dort fast gar nichts los.

Doch ein Würfel – gar nicht rund, für die Kunst und herrlich bunt,

macht den Ort wieder famos.“

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Die Juroren

Christel Göttert vom Rüsselsheimer Frauenbuchverlag, Kulturwissenschaftler Professor Doktor Wolfgang Schneider, Frauke Nussbeutel vom Mainspitz-Verlag, Johannes Bersch (u. a. bekannt als Fastnachtsredner), Angelika Becker-Dobrow von der Gemeinschaft der Künstlervereine in Mainz und Wiesbaden.

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Die Preise

1. Preis 200 €, 2. Preis 100 €, 3. Preis 50 €,

gestiftet von der Kreissparkasse Groß-Gerau

und jeweils eine Urkunde vom KUNST-WÜRFEL Verein e. V.

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Die prämierten Beiträge

3. Platz an Nora Weinand

2. Platz an Annegret Metzger mit einem Gedicht ihrer 1983 verstorbenen Mutter Anne Treber, vorgetragen von Johannes Bersch

Zwei erste Plätze an Hanne Stracke, vorgetragen von Frauke Nussbeutel

Der zweite erste Platz geht an Angelika Dormeyer

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Die Preisträgerinnen

Hanne Stracke (1), Annegret Metzger (2) mit einem Gedicht ihrer 1983 verstorbenen Mutter, Angelika Dormeyer (1) und Nora Weinand (3)

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Presse:

Main-Spitze

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